Ein kleiner Lichtblick am Horizont...
Es war ein Tag wie jeder andere auch. Síofra war bereits schon im Morgengrauen auf den Beinen, um die beiden Ziegen zu melken und nach den drei Schafen zu sehen, die in einem Pferch friedlich vor sich hin grasten. Die Ziegen dagegen waren heute sehr unleidlich. Denn eine der Ziegen keilte in Richtung der jungen Keltin aus, als sich Síofra dem Tier näherte. “Was ist denn nur?“ Wisperte die Keltin mit ihrer leisen, beinahe melodischen Stimme. Ihre Mutter hatte nämlich gesagt, dass sie sich ihre Tochter als große Sängerin vorstellen könnte, wenn sie zu einer anderen Zeit geboren wäre und in einem anderen Leben. W e n n nur…. Mit einem leisen wehmütigen Lächeln auf ihren Lippen, trat Síofra in die kleine Hütte ihrer Eltern ein. In ihren Händen hielt sie die Ziegenmilch, die sie soeben von beiden Ziegen abgezapft hatte. Auch die nach ihr keilenden Ziege war dann wieder artig und folgsam geworden.
Das hölzerne Haus war nicht gerade von großem Wuchs, aber für die kleine Familie reichte es allemal. Einst waren sie zu viert gewesen. Doch ein Fieber raffte den ältesten Sohn dahin. Und jenes Fieber hatte nun wohl auch von ihrer Mutter Besitz ergriffen. Denn einst war Róis von strahlender Schönheit, mit ihrer getönten Haut und ihren immer freundlich dreinblickenden Augen. Doch mittlerweile waren ihre Haare grau geworden, ihre Augen lagen tief in den Höhlen und ihre Haut hatte ihre rosige Frische verloren. Alles ein Zeichen dafür, dass auch das Fieber in Róis Körper tobte. Und ihr Vater, Eòghan? Bei dem Gedanken an ihren Vater spürte Síofra wie Tränen in ihren Augen aufstiegen, die sie hastig beiseite wischte. Nein, sie würde garantiert nicht weinen. Auch wenn die Abwesenheit ihres Vaters doch sehr an der jungen Keltin nagte. Denn Eòghan hielt sich lieber in den Hurenhäusern auf, als bei seiner bettlägerigen Frau zu verweilen oder seiner Tochter bei den alltäglichen Aufgaben behilflich zu sein. Er war schließlich der Herr im Haus und hatte hier das Sagen. Alle in seinem Haushalt hatten sich ihm unterzuordnen. Und dies war bisher auch so geschehen. Ihre Mutter war viel zu schwach um ihrem Vater Paroli zu bieten und Síofra kannte es nicht anders, als ihren Eltern, insbesondere ihrem Vater zu gehorchen. Beim Blick in den von Sturmwolken umtosten Himmel entschloss sich die junge Keltin, ein von ihr selbst gewebtes Tuch um ihre schmalen Schultern zu legen. Farblich passend zu ihrer grünen Tunika. Ihrer Mutter gab Síofra einen flüchtigen Kuss, bevor sie das Flechtwerkhaus verließ und gen des Pferch ging, in dem sich die Schafe befanden.
Zwei der Schafe wollte sie heute gewinnbringend auf dem Markt verkaufen. Ihr Vater hatte schließlich die letzten Ersparnisse für seine Huren aufgebraucht und ihre Mutter benötigte dringend Medizin. Denn die Kräuterwickel und die Kräutersäfte halfen nicht mehr das Fieber und die Schmerzen in ihrem Körper zu lindern. Róis siechte nur noch vor sich hin, war sogar zu schwach um sich selbst zu waschen. Dies übernahm Síofra für ihre Mutter. Bei dem Gedanken an ihre Mutter schluckte die Keltin schließlich hart und setzte sich mit den beiden Schafen in Bewegung. Zerrte diese regelrecht an geflochtenen Schnüren hinter sich her. Bockig und stur waren diese Schafe, doch ihr Fell und ihr Fleisch waren von erlesener Qualität.
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