RE: [Officium] Gedanken nach der Hochzeit
Ich erhob mich, immer noch außer Atem vor ausgestandener Furcht, geschmeidig wie eine Katze. Aber mein Herr sprach weiter, und wieder ließ er mich in Tiefen seiner Seele sehen, die ich bei diesem strengen Anwalt nicht vermutet hatte. Er wollte mich nicht bestrafen. Er wollte sich seiner jungen Frau auch nicht aufzwingen. Und da wir gerade offen und vertraulich redeten, wagte ich ein sanftes Lächeln:
"Herr, meine Herrin ist noch eine Jungfrau. Und damit meine ich nicht, dass sie vorgibt, eine zu sein, wie es so oft geschieht. Jungfräulich ist ihr Leib, aber auch ihr Gemüt. Wie kann sie dir deine Frage nach ...sexuellen Vorlieben beantworten, wenn sie das noch nicht einmal selbst weiß?",
Dann aber erläuterte mir Dominus Leander die Gründe dafür, warum er Norbana Orestilla geheiratet hatte. Und die waren wiederum so, wie ich es erwartet hatte: Nüchtern und von Kalkül. Was Norbana Orestilla an Romantik zu viel besaß, besaß er zu wenig. Aber manch anderer Römer warf eine junge Braut in der Hochzeitsnacht einfach aufs Bett und erwartete, dass sie ihre Pflicht ohne Gegenwehr erfüllte, was ich von Damen schon gehört hatte. Sie hielten mich ja wie gesagt für ihresgleichen. Wenigstens war Plautius Leander geduldig, und er meinte es auf seine Weise gut mit sich und seiner jungen Gemahlin.
Die nächste Frage aber trieb mir die Schamesröte ins Gesicht. Ich schnappte nach Luft, und hätte ich nicht schon gewusst, dass mein Herr Unterwürfigkeitsbezeugungen nicht leiden mochte, diesmal hätte ich mich niedergeworfen und seine Knie umklammert:
"Dominus, ich schwöre bei allen Göttern, dass ich mich der Domina nie erklärt habe. Sie weiß nichts über das, was ich fühle, und ich habe es tief in mir verwahrt. Nie habe ich mir auch nur das kleinste bisschen ihr gegenüber herausgenommen, rein wie eine Vestalin ist sie...."
Da dämmerte es mir. Plautius Leander beschuldigte mich ja gar nicht, wie ich zuerst gedacht hatte. Es war eine Frage. Ich verstummte und ordnete blitzschnell meine Gedanken neu. Ich hatte meinem Herren gesagt, dass Metamorphosen mein Metier waren, und dass ich mich anpasste, wie das Wasser, welches floss. Aber ich wollte nichts falsch verstanden haben:
"Du meinst... es wäre nur wünschenswert, Herr, wenn ich Lust am Dienst für Aphrodite in der Herrin wecken würde und du gestattest mir daher alle Praktiken, die nicht zur Zeugung von Nachkommen führen, um sie für den ehelichen Beischlaf vorzubereiten?", fragte ich im Ton sehr vorsichtig, in der Wortwahl jedoch deutlich, zurück.
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