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Irrungen, Wirrungen - Verloren in Londinium
03-23-2025, 04:59 PM,
Beitrag #1
Irrungen, Wirrungen - Verloren in Londinium
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Ich wusste nicht mehr, wo ich war.
Nachdem ich Aglaia stehen gelassen hatte, war ich einfach losgelaufen. Nur weg! Weg von ihr, weg von ihrem Gift, weg von meinem eigenen Zorn. Und weg von meinem Kind, das ich wohl nie wiedersehen würde.

Die Straßen von Londinium verschwammen zu einem endlosen Labyrinth aus engen Gassen, rutschigem Pflaster und gesichtslosen Fremden. Ich hatte längst die Orientierung verloren, aber das war mir egal. Ich lief weiter, gehetzt von Wut, von Enttäuschung, von einer Leere, die mich von innen heraus auffraß.
Mein Atem ging schwer. Meine Hände zitterten noch immer vor unbändigem Zorn, der einfach nicht abklingen wollte. Ihre Worte hatten sich in meine Gedanken gebrannt, wiederholten sich immer und immer wieder. Du bist nicht ihr Vater. Wie konnte sie das sagen? Wie konnte sie mit solch kalter Gewissheit sprechen, als wäre ich nichts weiter als ein unbedeutendes Stäubchen in ihrem Leben, das sie nach Belieben fortblasen konnte?
Ich blieb stehen, drehte mich um – und erkannte nichts. Die Straße, die Häuser, alles war mir fremd. Ein dumpfes Gefühl von Unbehagen machte sich breit. Ich versuchte, irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, doch es war sinnlos. Also lief ich weiter. Bog in eine Gasse ab, dann in die nächste. Die Stadt um mich herum wurde zu einer grauen, formlosen Masse.
Die Menschen, an denen ich vorbeiging, warfen mir Blicke zu – misstrauische, neugierige, einige belustigt. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Mann, der nicht wusste, wohin mit sich. Und genau das war ich.
Ich hätte stehen bleiben sollen. Einen Moment nachdenken, mich sammeln. Aber der Sturm in mir ließ es nicht zu.
Irgendwann fand ich mich auf einer belebteren Straße wieder. Ich hätte jemanden nach dem Weg fragen können. Doch ich tat es nicht. Ich wollte nicht stehen bleiben, konnte nicht. Mein Herz schlug hart gegen meine Rippen, nicht aus Angst, sondern weil mir bewusst wurde, dass ich in dieser Stadt verloren war.

Deirdre.
Ich musste zu ihr. Jetzt. Sofort. Sie war mein einziger Halt, mein Anker, mein Fels in der Brandung. Doch sie war so weit weg!
Ich lehnte mich schwer gegen eine Hauswand, schloss die Augen. Aber selbst dort fand ich keine Ruhe. Ich sah nur ihr Gesicht. Kalt. Unnachgiebig.
Ich hätte mich lieber in den Bleiminen zu Tode geschuftet, als dich jemals zu treffen. Das waren meine Worte gewesen. Ich hatte sie gesagt. Ich hatte sie gemeint – oder nicht? Ich wusste es nicht mehr. Mein Inneres war ein einziges Chaos aus Wut und Schmerz.
Ich fuhr mir mit den Händen übers Gesicht, versuchte, tief durchzuatmen. Doch es half nichts. Die Enge der Stadt drückte mich nieder, die endlosen Straßen verschlangen mich. Und die Worte hallten weiter in meinem Kopf wider.
Als ich weiterging, stieß ich mit einer Bettlerin zusammen, die in Lumpen gehüllt war. Ich hatte sie zu spät gesehen. Sie murmelte etwas, vielleicht einen Fluch, doch ich blieb nicht stehen. Ich lief weiter. Ich flüchtete.
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Irrungen, Wirrungen - Verloren in Londinium - von Licinianus Owain - 03-23-2025, 04:59 PM

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