RE: Irrungen, Wirrungen - Verloren in Londinium
Gwen konnte Owains Blick kaum ertragen. Diese plötzliche Sorge in seinen Augen. Sie war wie ein Dolchstoß. Die letzten Jahre hatte sie sich immer wieder eingeredet, dass niemand mehr übrig war, der sich noch um sie scherte. Und nun stand er hier, rief sie bei ihrem alten Namen und sprach von Bryn, von der Vergangenheit… von Dingen, die sie längst begraben hatte.
Aber konnte sie ihm trauen?
Er sprach mit dem Römer, als gehöre er zu ihnen. Wut brodelte in ihr. Bryn hätte ihn nicht wiedererkannt,würde sie noch leben. Nicht so, wie er jetzt war.
Sie wollte ihm ins Gesicht schleudern, dass sie nicht mehr das kleine Mädchen war, das er einst kannte. Dass sie längst gelernt hatte, allein zurechtzukommen. Doch dann hörte sie, was er noch zu dem Römer sagte. Er sprach von einer Aglaia und ... seine Tochter.
Gwen stockte der Atem. Er hatte eine Tochter. Eine, die noch lebte. Eine Tochte, die nicht von seiner Frau stammte. Bryn war einmal schwanger gewesen. Aber sie hatte ihr Kind verloren.
Ihr Herz klopfte schneller, während sie ihn musterte. Da war so viel, was sie nicht wusste. So viel, was sie nicht verstand.
Dann der letzte Schlag – als er den Römer wissen ließ, dass der Beutel - sein eigener Beutel - nicht ihm gehörte. Sie hatte geglaubt, er würde sie verraten. Sie hatte es wirklich erwartet. Und doch tat er es nicht. Der Sklave ließ sie endlich los, auch wenn ihm das gar nicht gefiel. Und auch der Römer war zufrieden, nachdem er sein Geld wieder hatte.
Sie biss sich auf die Lippe. Ein Teil von ihr wollte einfach verschwinden, ihn vergessen. Doch ein anderer Teil – ein viel zu lauter Teil – wollte Antworten.
"Nach Sonnenuntergang", murmelte sie schließlich.
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und verschwand in der Menge. Bevor er ihre Unsicherheit sehen konnte. Bevor er bemerkte, dass er sie längst ins Wanken gebracht hatte.
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