Am Brunnen vor dem Tore~
Fintan fand die Rückkehr nach Iscalis immer wieder komisch. Er hatte sich inzwischen so sehr an Cheddar gewöhnt, an die kleine Hütte mit der Schmiede und die tägliche Arbeit. Er war nun kaum noch in der Römerstadt, schlug sich nicht mehr durch schmutzige Gassen oder machte Deals in Hinterzimmern. Und noch mehr: Auch vom Wald schien ein Schatten genommen, nun wo Cathbad tot war. Der Druide, der heilige Mann, der nichts als Kummer brachte, Hass fühlte und Zwietracht säte. Noch immer wusste er nicht, wer den Alten auf dem Gewissen hatte. Er hatte den verrückten Zwilling im Verdacht, der vermutlich endlich die Art ihres 'Vaters' nicht mehr mitgemacht hatte. Fintan weinte Cathbad keine Träne nach. Er hatte dessen Befehle ausgeführt, aber doch auf seine Weise sein Leben lang gegen ihn gearbeitet - im Auftrag seiner Mutter. Keiner seiner Brüder wusste davon. Nun, fast keiner. Doch wo waren sie hin? Er hatte sich in der Stadt umgehört und Gerüchte gehört, Alun wäre hingerichtet worden. Das konnte nicht sein. Sicher, die Konsequenz wäre es gewesen, hätte man ihn erwischt, aber dafür war er zu gut gewesen. Doch die Wochen waren vorübergezogen und die Gerüchte hielten sich. Und der Bruder blieb verschwunden. Und Fintan konnte keinem davon erzählen, niemandem berichten, mit niemandem darüber sprechen. Sicher, Calum hätte es sicher mitbekommen, doch der kam aus seinem goldenen Käfig nicht mehr heraus. Louarn hasste ihn nach wie vor und hatte sich rar gemacht. Die Zwillinge waren ebenfalls nicht auffindbar. Nicht, dass er es versucht hätte. Er konnte noch so gleichgültige Miene machen, die beiden machten ihm Angst.
Die Arbeit, sein Meister, die Hütte. Ja, damit fühlte er sich wohl. Mit vollem Magen und jemandem, der ihn lehrte und vielleicht irgendwie gern hatte. Doch das nagende Gefühl, es blieb. Seine Brüder... er vermisste sie schwer.
Auch heute versuchte er freilich, sich von düsteren Gedanken abzulenken. Und wer hatte Übung darin, eine finstre Miene ins Gegenteil zu verkehren, trotzdem zu lächeln, als Fintan? Er, der lachte, wenn er Angst hatte. Der lachte, wenn er traurig war. Der lachte, obwohl seine Welt, noch nie stabil oder liebevoll, immer noch mehr aus den Fugen geriet.
Heute führte ihn sein Weg her, damit er einige Einkäufe machen konnte. Waren allein ausliefern, das ließ sein Meister ihn noch nicht. Ob er ihm nicht traute oder dachte, er könne sich nicht verteidigen, die kostbaren Stücke brachten sie immer gemeinsam nach Iscalis. Heute jedoch, da war er allein. Betrachtete die vertrauten Mauern und Gebäude mit einem flauen Gefühl in der Magengrube. Zum ersten Mal fühlte er sich ziellos im Leben, und ohne Haltenetz. Obwohl die meisten von ihnen sicher geschworen hätten, ihn fallenzulassen, so hatte er doch immer gehofft, dass sie ihn vielleicht doch auffangen würden...
Lustlos schleppte er sich durch das Tor. Den alten Gaul, den er sich geliehen hatte, führte er inzwischen an den Zügeln. Es war ein langweiliges Pferd, auf dessen Rücken man wohl kaum den Wind im Haar spüren konnte, wenn man schnell über Wiesen und Wege ritt. Er konnte froh sein, dass das Tier sich überhaupt noch hierhergebracht hatte, erschöpft wie es aussah.
"Gleich geschafft, aber freu dich nicht zu früh. Zurück müssen wir ja auch noch", sagte er nachsichtig zu dem Tier und tätschelte es, als ihm etwas merkwürdiges auffiel.
Da war doch jemand auf einem der Dächer? Zwei sogar. Ein Pimpf (jetzt wo er etwas um die Oberarme zugelegt hatte, konnte er sowas sagen) und ein Mädchen. Jünger als er, alle beide. Fintans geübtes Auge glaubte sofort, etwas auszumachen, nämlich, dass die beiden wohl nicht unbedingt gesehen werden wollten. Sein Kopf machte aus der Information nicht viel. Einen Gedanken sprach er jedoch schon aus:
"Anfänger."
Falke
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