RE: Am Brunnen vor dem Tore~
Ganz flach hatte sich Cassia auf das Dach des kleinen Tempels gekauert. So dass man nur ihren gelockten Haarschopf erkennen konnte, wie sie über den Rand des Tempels linste. Und verzweifelt nach Bran Ausschau hielt. Denn der Tempelwächter wedelte viel zu sehr mit seinem Holzstock herum und Cassia starb auf dem Tempeldach tausend Tode. Wieso war sie nur so feige und hielt sich weiterhin auf dem Dach verborgen? Wieso war sie nicht an Brans Seite geeilt und hatte mit ihm gemeinsam die Tracht Prügel erduldet? Weil ihr der etwas ältere Sklave gesagt hatte, dass sie sich im Verborgenen halten sollte. Und genau daran hatte sich Cassia gehalten. Hatte sie doch, oder? Wieso fuchtelte der Tempelwächter dann ausgerechnet in ihre Richtung und bedeutete ihr mit seinem Stock, dass sie sofort vom Dach herunter zu kommen hatte? Sie hatte sich doch extra ganz flach auf das Dach gepresst, um nicht entdeckt zu werden. “Nein.“ Zischte die furische Sklavin in Richtung des Tempelwächters und wischte sich dabei über ihre Augen. Jetzt nur nicht ins schwanken geraten und riskieren vom Dach des Tempels zu purzeln.
Erneut hob der Tempelwächter seinen Stock an und holte damit aus, um nach Cassias Fingern zu schlagen, die sich in das Stroh verkrallt hatten. Jedoch hatte der Wächter wohl nicht mit dem bockigen Sklavenjungen gerechnet. Denn Bran stürzte sich mit gesenktem Kopf, so dass er aussah wie ein wilder Widder, auf den Tempelwächter. Und stieß ihm seinen Kopf in den Bauch, oder versuchte dies zumindest. “Bran….“ Wisperte es tonlos über Cassias Lippen. Denn durch diesen Angriff hatte Bran die Aufmerksamkeit des Tempelwächters auf sich selbst gezogen. Und Cassia hatte somit die Gelegenheit zu flüchten.
Ganz vorsichtig, rutschte sie auf dem Bauch über das Dach. Um sich im nächsten Moment nicht minder vorsichtig zu Boden gleiten zu lassen. Mit ihren Füßen stemmte sie sich gegen die Mauer des Tempels. Und ließ sich die letzten Meter dann doch zu Boden fallen. Autsch! Das tat wirklich weh, als sie unten auf dem Boden aufkam. Schmerzverzerrt das Gesicht der Sklavin, als sie sich etwas umständlich auf die Füße stemmte. Oh man. Das hatte wirklich weh getan. Da würde sie mit Sicherheit einige blaue Flecken davon tragen. Und wo steckte überhaupt Bran? Für einen kurzen Augenblick spürte Cassia wie sich die eisigen Finger der Furcht nach ihr ausstreckten. Ihre Angst um Bran pulsierte ungehindert durch ihre Adern und ließ Cassias Augen dann doch in Tränen schwimmen.
“Bran.“ Wimmerte die furische Sklavin leise. Denn den claudischen Sklaven konnte sie nun nirgends mehr erblicken. Während sie selbst sich eng gegen die Wand des Tempels presste. Dann jedoch wurde ein dunkelhaariger junger Mann auf sie aufmerksam. So dass sich Cassia noch enger gegen die Tempelwand presste und inständig hoffte, mit dieser zu verschmelzen. “Wo ist Bran?“ Wollte Cassia mit heiserer Stimme von dem dunkelhaarigen jungen Mann wissen und blickte diesen mit tränenfeuchten Augen an.
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