RE: Die alte Schmiede am Dorfrand
Die Zeit tropfte zäh wie Honig. Der Boden war rau und staubig, und doch blieb ich reglos liegen. Wie durch einen Schleier drangen die Geräusche heran. Lachen. Ein Cornicen. Das Stampfen genagelter Sohlen auf dem Grund. Dann Stille. Weinen. Stimmen.
Ich wusste nicht, wie lange ich da lag, bis mein Geist und mein Körper wieder eins waren. Nur ganz langsam rappelte ich mich auf. Mein Mund schmeckte nach Rost und Staub, meine Lippe war geschwollen. Am Boden entdeckte ich einen halb geronnenen Blutfleck, wo das Blut hingetropft war. Ich machte einen wackeligen schritt davon weg und stürzte dabei fast. Meine Beine fühlten sich nicht an wie meine Beine.
Owain. Er war nicht zurückgekommen. Auch keiner der Legionäre, aber er eben auch nicht. Hatten sie ihn getötet? Warum war er nicht da? Hatte er nicht gesagt, er würde mich beschützen? Wo war er? Ich machte noch einen wackeligen schritt und fiel beinahe gegen den Amboss, wo ich mich erst einmal festhielt. Mir war übel und schwindelig und ich zitterte noch immer so heftig. Ich wusste, ich hatte eine Schock, aber dieses Wissen nützte so rein gar nichts, um etwas dagegen zu unternehmen.
Nein, Aglaia, du wirst das hier überleben und dich jetzt nicht deinem Schicksal überlassen! Das sagte ich mir immer wieder, während ich mich mit einem wackeligen Schritt nach dem nächsten zur Tür begab und dort erstmal stehen bleiben musste, um mich festzuhalten. Ich weinte, ich merkte es. Ich wollte gerne stark sein, aber im Moment ging es nicht, und ich war nicht bereit für das, was ich vielleicht hinter dieser Tür finden würde. Vielleicht hatten sie Owain getötet. Vielleicht auch andere. Vielleicht starb er gerade jetzt an einem Kreuz, von dem ich ihn niemals allein herunterholen würde können. Oder vielleicht auch noch schlimmeres.
Ich stand da, hielt mich fest und schluchzte eine Weile, zitterte so sehr, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte, bis ich mich selber zwang, das hier durchzustehen. Was immer es sein würde, ich war am Leben und leidlich unverletzt. Ich würde nach Iscalis gehen. Ich würde… ich wusste nicht, was ich würde. Ob Saturninus mir helfen würde? Konnte er mir überhaupt helfen? Und hatte er mich wirklich gern? Auch gern genug, um deshalb der Legion ans Bein zu pinkeln? Ich wusste es nicht. Ich wusste im Moment gar nichts mehr. Ich wollte gerade nur noch heim zu meiner Mama, auch wenn die ganz und gar nicht der mütterliche Typ war. Und mich waschen. Ich wollte mich waschen, bis meine Haut abfiel und nichts mehr von diesem ekelhaften Typ an mir war.
Aber dafür musste ich zuerst die Tür öffnen. Ich schluckte noch einmal, dann riss ich sie auf. Das Licht der Sonne blendete mich, und draußen standen einige Leute herum. Einige weinten. Ich trat in den Türrahmen und sah jemanden auf dem Boden liegen. Blondes Haar. Nein. Die Hände waren hinter dem Rücken gefesselt und eine Schlinge lag um seinen Hals. Nein, nein, nein.
“Owen“, hörte ich meine eigene Stimme kratzig und dünn, dann brach ich auf meine Knie zusammen und schluchzte nur noch.
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